Anteil nehmen und teilnehmen

Hier veröffentlichen wir Leserbriefe, Kommentare usw. zu aktuellen Themen der Biodiversität.    Diese sollen zum eigenen Denken anregen;           Sie liegen in alleiniger Verantwortung der jeweiligen Autoren/innen.   Auch ist jede/r eingeladen, aktiv oder passiv mitzumachen mit dem anlegen einer blühfläche, eines insektenhotels usw. Einfach eine mail an uns....

Christiane Hermann

Betrifft Artikel im Wochenspiegel von 2.3.2019

 „Bauernbund – Chef warnt vor neuem Ökoterror.“

 Dieser Artikel ließ mich nach dem Lesen so fassungslos zurück, dass ich ihn nicht unkommentiert lassen möchte. Er war schockierend in Wortwahl und Sprache, aber auch in seiner Haltung zu den Fakten.

Zunächst muss ich sagen, dass ich für die Bauern als selbstmitleidige Gesellschaft keinerlei Verständnis habe. Zum einen werden sie von der Politik gehätschelt und kriegen jährlich Milliarden zugeschanzt, und zum anderen darf sich eine Gruppe von Menschen, die so gravierend in die Ökologie eingreift, was nichts Abstraktes ist, sondern unseren Lebensraum bezeichnet, die so massiv Tötungsmittel ausbringt, die das Leben um uns herum reduziert, nicht beklagen, wenn man sie mit den Folgen ihrer Handlungen konfrontiert.

Reinhard Jung, der sich Biobauer nennt, beklagt in dem Artikel die Schwierigkeit zwischen „Wachstumswahn und Ökoterror „Kurs zu halten , bei gleichzeitiger“ Ignoranz der Politik.“ Was meint er damit? Wie viele vielleicht nicht wissen, kann jeder im Internet nachlesen, wieviele Gelder jeder Bauer im Lande monatlich von der EU bekommt, und kann sich davon überzeugen - arm sind die Bauern nicht! Zudem verlängert die Politik ihnen doch wie gewünscht und gegen jede Vernunft, und auch gegen jedes Verantwortungsgefühl, die Zulassungen für die schlimmsten Vernichtungsmittel.

 

Was den Bauern die Feierlaune verdarb, so steht es da zu lesen, war die Ankündigung des Naturschutzbundes, ein Volksbegehren „Artenvielfalt – rettet die Bienen“ nach bayrischem Vorbild auch in Brandenburg zu starten. Das muss man mir erklären, wieso das Engagement für das Leben einer bestimmten Gruppe von Menschen die Laune verdirbt. Ich dachte wir leben alle gerne. In schönem Selbstmitleid und Opferhaltung sprechen sie den bayrischen Bauern und Leidensgenossen ihre Solidarität aus, man sieht sich als Opfer von Terror. Und hier wünscht man sich doch den verantwortlichen Umgang mit Sprache, auch von den Redakteuren der Zeitung. Ein Terrorrist ist doch wohl einer, der aus einer fanatischen ideologischen Haltung heraus, sich im Recht sieht, Gewalt anzuwenden, d.h. mit den verschiedensten Mitteln seine Widersacher zu vernichten, also zu töten. Wenn also Umweltschützer als Terroristen bezeichnet werden, dann müssten sie, um dieses Wort zu rechtfertigen, z.B. dazu aufrufen Bauern wie auch immer zu vernichten, zu töten, denn das ist, was Terroristen tun. Nichts davon ist mir bekannt. Stattdessen wenden die Bauern aus ideologischer Überzeugung, schlimmer, aus Profitgier, eine Vielzahl von Massenvernichtungswaffen an gegen die, die sie als ihre Feinde betrachten, oder als nicht lebenswert ansehen: Pflanzen, Insekten, Kleinstlebewesen, das Leben in den Gewässern. Wie ein totalitärerer Staat verfügen sie, dass auf ihren Flächen nur „leben“ darf, wen sie dulden. Das nenne ich die Erfüllung der Definition von Terrorismus. Denn man soll sich nichts vormachen, es sind nicht Pflanzen -“SCHUTZmittel“, die sie ausbringen, sondern PflanzenVERNICHTUNGSmittel: Herbizide, Insektizide, Pestizide, Fungizide, das Wörtchen zid heißt Tod! Es sind also, wie gesagt massenhafte Massenvernichtungsmittel, die diese Menschen großflächig Jahr für Jahr über unserem Lebensraum verteilen, mit katastrophalen Folgen für das gesamte Leben, auch für unseres. Denn davon dürfte doch inzwischen auch schon der Letzte „Dorfdepp“ gehört haben, dass es eine Nahrungskette gibt, das alles miteinander verbunden und voneinander abhängig ist, und dass somit nicht „nur“ die Insekten und die Vögel aussterben, sondern dass wie hintendran hängen und dann auch schonmal zusammenpacken können. Ich habe das Gefühl, dass von Terroristen unser Lebensraum zerstört wird. Man könnte auch sagen, die Bauern terrorisieren das ganze Land und die  Politiker, und wollen es niemandem erlauben, ihnen ihre  fürchterlichen Waffen aus der Hand zu nehmen. Und wer sich jetzt Sorgen macht, über unsere Ernährung, und das wir die Bauern doch brauchen, den kann ich mit ein paar Zahlen beruhigen, denn diese ganzen Bauern bauen nur noch 20% Nahrungsmittel an, der Rest wird importiert. Auf den ganzen 80% der Restflächen wird nur für das eigene Bankkonto angebaut: unendliche Maismonokulturen für Biogas, dafür gibts das meiste Geld. Essen können wir das nicht. Man könnte direkt sagen, wir brauchen die Bauern gar nicht. Nicht diese. Diese kommen uns teuer zu stehen. Wir wären vielleicht sogar besser beraten ohne sie. Und richtig terroristisch wird es erst, wenn die Menschen beginnen, sich um die letzten Ressourcen die Köpfe einzuschlagen. Wer gerne dabei sein will, braucht sich nicht weiter anzustrengen, sondern nur einfach so weiter zu machen, wie bisher. Das nenne ich das wahre Horrorszenario. Aber Herr Jung ruft die bayrische Landesregierung dazu auf, standhaft zu bleiben und warnt zugleich davor, dass  die „Horrorszenarien im Heidiland“ nun auch in der Mark stattfinden könnten!

 

Die Sprache ist schockierend und suggeriert uns einen Feind, den es gar nicht gibt. Und lenkt von den wahren Gefahren ab. So wurden und werden Kriege geführt, mit falschen Feinden. Unser wirkliches Problem sind aber die zunehmend sterbenden Böden, auf denen immer weniger wächst, die auf Grund der Vernichtung der lebenswichtigen Bodenlebewesen sich verdichten und kaum ein Kraut mehr gedeihen lassen. Jeder Laie kann erkennen, wie lückig der Bewuchs auf den Feldern ist, Tendenz zunehmend.

 

Es kommt vielleicht die Zeit, in der die letzten Menschen begreifen werden, dass sie es den „Öko – Terroristen“ zu verdanken haben, wenn noch unser Leben auf der Erde zu retten war. Falls es noch rechtzeitig dazu kommt. Wenn nicht, werden wir wahrscheinlich schon unseren Kindern beim hungern zusehen können. Das ist ein wahres Horrorszenario.

 

Herr Jung hat aber ganz andere Probleme: er klagt über die „widerwärtige Bauernhetze“ - was ich reine Selbstverteidigung einer mündigen Bevölkerung nennen würde, und er warnt, dass dies bundesweit Auswirkungen haben könnte, auf das Höfesterben. Und ich dachte, das hätte schon längst begonnen! Ich dachte die Ursachen dafür wären die ungerecht verteilten EU – Mittel, die denen geben, die schon viel haben, und die kleinen Betriebe benachteiligen. Was bringt der Herr Jung denn da alles durcheinander? Und wenn man sich schon übers Sterben aufregt, warum dann nur über das Höfesterben? Warum hat er denn gar kein Verständnis dafür, dass andere sich auch über das Artensterben aufregen?

 

Weiterhin spielt Herr Jung auch den Umfang herunter, in dem die Vernichtungsmittel ausgebracht werden. Denn im Märzen spannt der Bauer nicht mehr die Rösslein an, sonder er spannt seinen Trecker vor den Container mit Gift, und dann fährt er und fährt er, fleißig von morgens bis abends, bis er alles verspritzt hat, das kann jeder sehen, der auf dem Land wohnt, und auch riechen, wenn die ganze Landschaft nach Chemie stinkt. Wenn sich nichts mehr regt, nicht mehr summt oder zwitschert. Und nur in einem einzigen Punkt kann ich ihm recht geben: auch einen Anteil an dem Artensterben haben die jährlich zubetonierten Flächen und die dramatische Umwandlung von Gartenflächen, die früher Mensch und Tier ernährt haben, in sinnlose Rasenflächen. Wo er recht hat…

 

Und wo er gleich wieder unglaubwürdig wird ist, wenn er behauptet, ein Grund für das Bienensterben wäre sozusagen die Faulheit der Menschen, die sich angeblich scheuen, die Mühen der Arbeit des Imkers auf sich zu nehmen. Die Wahrheit ist, dass immer mehr Menschen sich als Imker betätigen, weil sie das Bedürfnis haben, zu helfen und selbst etwas zu tun. Dass vielen aber jedes Jahr die Bienenvölker sterben und sie von vorne anfangen müssen. Sie sterben deswegen, weil sie unmittelbar oder mittelbar vergiftet werden, wenn die Bauern spritzen ohne die Windstärken zu berücksichtigen, wozu sie verpflichtet wären, und weil dieselben Bauern keinen Lebensraum mehr übrig lassen, alles unterpflügen, auch die Feldraine, die ihnen gar nicht gehören, um noch mehr Geld von der EU zu bekommen. Und es reicht nicht Bienen zu halten, sie müssen sich auch von irgendetwas ernähren können!

 

Zum Glück gibt es diese überzeugten Idealisten, bzw. Realisten, die sich unermüdlich dieser Aufgabe annehmen, obwohl die Bauern und die Politik und viele gleichgültige Menschen ihnen dabei permanent in den Rücken fallen.

 

Zu guter Letzt frage ich mich noch etwas beunruhigt, wieso sich Herr Jung in dem Artikel als Biobauer bezeichnen lässt. Wenn die Naturschützer seine Feinde sind, wer ist dann er? Wenn ich eine Behörde wäre, würde ich nach all seinen Äußerungen einmal seinen Hof prüfen. Denn, ohne ihm etwas unterstellen zu wollen, aber wie wir alle wissen, gibt es auch auf dem Biosektor viele Betrüger, werden die Menschen, die gerne etwas beitragen möchten durch ihr Kaufverhalten, von manchen gewissenlosen Mitbürgern in ihren Bemühungen betrogen. Das ist in mehrfacher Hinsicht schlimm. Nicht nur wegen des Betruges, sondern wegen der heimlichen Fortsetzung der Umweltzerstörung.

 

Wir wissen alle nicht, was uns bevorsteht, wohin unser Verhalten, unsere Handlungen und unsere Unterlassungen führen. Aber wenn uns unsere Kinder einmal fragen werden, was habt ihr getan? (kommt uns das bekannt vor?), dann möchte ich sagen können, wir haben es versucht !

 

Ch.Hermann

 

Christina wolff

 Straßenrand am 06.Sept. 2018                                             ....und am 11.Sept.2018...........

 

Hüt‘ dich, schön’s Blümelein   Trauerrede für die Wildblumen der Brandenburger Agrarsteppe

 

Mittlerweile freue ich mich, wenn ich im Sommer nach Berlin fahren muss – schon in Spandau schweift mein Blick über die üppig blühenden Wegränder, Grün- und Brachflächen der Stadt, in der der Mäh- Irrsinn noch nicht alles erfasst hat, ob aus Schlamperei oder aus ökologischen Erwägungen heraus, ist mir dabei vorerst einerlei, auch wenn das letztere natürlich besser wäre. Aber – es ist ein Segen! Für mein verwundetes Herz und natürlich für alle Wildbienen, Schmetterlinge, Hummeln, Honigbienen, Käfer, Regenwürmer, Asseln, Eidechsen, Singvögel    und wenn die Blumen  Samen bilden dürfen, sind sie  auch noch Überwinterungsquartier und Nahrungsquelle  - ein richtiges Biotop. Und oft das letzte, neben Eisenbahndämmen, Autobahnrändern und Truppenübungsplätzen, wobei erstere zunehmend ebenfalls dem Mäh-Irrsinn zum Opfer fallen. Sehr oft hoffe ich, dass die Erdölpreise so in die Höhe schnellen, dass man sich diesen Wahnsinn  wirtschaftlich nicht mehr leisten kann, ökologisch kann man es schon lange nicht mehr.

 

Der Sommer war heiß hier im Westhavelland und extrem trocken, selbst im Berliner Umland hat es – bei allem Nichtregnen - mehr geregnet, als hier. Hier bleiben die wenigen Gewitterfronten an der Havel hängen, dafür weht  fast immer ein trockener heißer Wind, fast wie in der Wüste – die schon für die nächsten Jahrzehnte prognostiziert wird. Trotz dieser Wetterlagen wurde auch in diesem Jahr fleißig gemäht, sozusagen nach Plan – die erste Mahd im Mai,  bei der das Ausmaß der kommenden Dürre noch nicht absehbar war, hat dazu geführt, dass monatelang nichts mehr nachgewachsen ist, wenn die Bäume nicht geblüht hätten, wären alle“ Bestäuberinsekten“ schon lange verhungert. Die Hitze und Trockenheit hat die Wasserwirtschaft trotzdem nicht davon abgehalten, alle Deiche in dieser ehemaligen Moorlandschaft ordnungsgemäß entsprechend ihrem Terminkalender abzumähen, der zarte Flaum an kleinen Wildblumen, die als einzige der Trockenheit trotzen können, war auf großen Flächen mit einem Schlag verschwunden – wieder Not im Reich der Bienen und Hummeln. Auf den wenigen verbliebenen Blüten der Skabiosen saßen auf jeder ein taumelnder Schachbrettfalter, wie auf einer rettenden Insel im trostlosen Sandmeer der Agrarsteppe. Ascheartiger Sand ist der Ackerboden hier inzwischen, der Wind weht ständig kleine Sanddünen zusammen, in denen die Vögel Fußspuren hinterlassen, wie am Meer, wie im Sandmeer. Im letzten Jahr wurde hier nicht nur auf vielen Flächen Glyphosat gespritzt, sondern es wurden auch unzählige Feldraine  untergepflügt,  Folgen einer zunehmend GPS – gestützten Landwirtschaft,  Acht- und Sorglosigkeit. In Brandenburg gibt es dazu meines  Wissens niemanden, der diesem oft illegalen Unterpflügen Einhalt gebietet, in Sachsen – Anhalt wurden in 2014 wenigstens einmal dazu Zahlen erhoben -  13.600 ha Feldraine und Gewässerrandstreifen wurden dort illegal untergepflügt – nur damit man sich das Ausmaß mal deutlich macht, um welche Flächen brachliegenden Landes es hier geht, die einzigen Rückzugsräume für alle wilden Lebewesen, in denen Biodiversität sich überhaupt noch halten kann, unsere einzigen Refugien, aus denen heraus irgendwann mal wieder eine Neubesiedlung der Agrarsteppe passieren kann, wenn wir nicht endlich aufwachen und dem Wahnsinn Einhalt gebieten. Denn wir wissen schon lange, was wir tun und verharren wie die Lemminge in unseren alten Mustern – sehenden Auges und mit Herzen, die  keine Trauer mehr empfinden können über das Sterben dieser Welt.

 

Letzte Woche war ich hier zwischen den Dörfern unterwegs und mein Herz hat höher geschlagen ob des Blütenmeeres der Wildblumen, die sich in dieser Dürre und mit dem Tau der kühlen Nächte doch noch entschlossen hatten, in diesem Sommer zu blühen – alle Kraft haben sie in die Schönheit und den Duft ihrer Blüten gelegt – das duftende Labkraut, die Sandglöckchen und Grasnelken, die vielen Dolden der Schafgarbe, der Frauenflachs, die kleinen Pechnelken, Natternkopf, Flockenblumen und die unverwüstlichen Ochsenzungen, Skabiosen, vereinzelt Hauhechel, Glockenblumen und Immortellen, Nachtkerzen, Königskerzen, kleine Malven, Varianten von Klee und Taubnesseln, Rainfarn - natürlich Beifuß, Wermut, Brennnessel und Sauerampfer, Wegerich und Lattich und ein Meer von Wildrucolablüten,  die klassischen Pflanzen der Steppe und auch in der Hitze nicht unterzukriegen – allein das Aufzählen dieser Pflanzennamen ist wie eine Gesang in meinen Ohren und das Meer aus Schattierungen von Gelb, Rosa, Dunkelrot und Weiß, mit Inseln von Zartlila bis Blau ist eine Sinfonie für meine Augen.  Unzählige Hummeln, Bienen und Falter tummelten sich an den Weg- und Straßenrändern und auf den blühenden Wiesen im  Naturpark. Vier Tage später – war alles weg, alle Straßenränder grün, grau, blütenlos, alles Leben verschwunden, wie schon gewohnt teilweise vier  Meter breite Mähstreifen, einschließlich der Böschungen und Waldränder, nirgendwo mehr eine Blume.  Bis auf den Wurzelgrund, teilweise bis in den Sand tief alles abgemäht.  Und das nicht nur zwischen den Dörfern vor Ort, sondern weit über Rhinow und  Rathenow hinaus im gesamten Landkreis und auch auf den Wiesen im Naturpark , selbst in den Dörfern  – totes Land und Hungertod für alle kleinen wilden Lebewesen. Abmähen nach Plan – ohne Sinn und Verstand – unabhängig von den Rhythmen der Natur und vom Jahresverlauf – weder verkehrstechnisch noch landwirtschaftlich ergibt das einen Sinn, die Blumen waren eher zart und nicht mal kniehoch gewachsen, jeder Autofahrer hatte in dieser dünn besiedelten Gegend ausreichend Sicht und auch vom Futtergewinn her war der Diesel wahrscheinlich wesentlich teurer als die Ausbeute an Biomasse, die das Abmähen erbracht hat. Großer Jammer, Trauer, Entsetzen, Fassungslosigkeit, Aufschrei – so kann das nicht weitergehen. Das Verschwinden der Tiere und Pflanzen, das große Aussterben der Arten aufgrund unserer Lebensweise füllt die Medien, mindestens bei den Honigbienen fühlen sich die meisten dann doch davon betroffen – viele Programme zur Nachhaltigkeit, zur Biodiversität wurden aufgelegt, Forschungsprojekte initiiert,  Dekaden und Gedenktage eingeführt, viel Geld wird seit Jahren an die Landwirte gezahlt für „Ökosystemdienstleistungen“ (dieses Wort verdient einen eigenen Artikel) z.B. für das Anlegen von Blühstreifen. Es wirkt so, als wenn wir mit nicht glaubwürdigen Argumenten immer noch Zeit schinden wollen, um unseren Lebensstil nicht wirklich infrage stellen zu müssen, seit Generationen wissen wir, was wir tun, das Buch von Rachel Carson „Der stumme Frühling“ ist vor fast 60 Jahren erschienen – wir wissen es schon lange. Statt Blühstreifen zu säen, die zum Großteil einjährige  Kulturpflanzen enthalten, die unseren Wildinsekten und dem Ökosystem kaum etwas nützen und  die in diesem Jahr bei der Trockenheit auch gar nicht gekeimt haben und wieder untergepflügt wurden -  lasst die Feldraine stehen, mäht Wiesen und Straßenränder mit ökologischem Sachverstand und im Rhythmus der natürlichen Kreisläufe, pflanzt wieder Hecken und Bäume  und nutzt die Potentiale der Ökosysteme, statt sie ständig zu zerstören. Das ist alles wirkungsvoller und wirtschaftlicher, als um einen 100 ha großen unnatürlichen  Monokultur-Maisschlag einen Blühstreifen zu ziehen. Keine Biene wird diesen Acker jemals überfliegen und dort genügend Futter finden. Bienen fliegen nicht in Vierecken. Nur Menschen leben darin, mehr schlecht als recht. Lasst uns endlich gemeinsam das Naheliegende tun, was sofort begonnen werden kann und so einfach ist, dafür braucht es vielleicht ein bisschen Mut und Zivilcourage, um aus dem, was alle machen im Takt der Megamaschine, auszusteigen. Der Gewinn ist Lebendigkeit und Freude.

 

Christina Wolff

 

 

 

udo schäfer

 

Leserkommentar zu „Insektengipfel in der Kritik“ in der BRAWO vom 24.03.2019

 

Seit Bayerns Vorstoß zum Volksbegehren zur Artenvielfalt geht die Angst um unter den Bauern, ihre bisherige Wirtschaftsweise nicht wie gewohnt fortsetzen zu können. Natürlich ist das bitter und wird Beschränkungen mit sich bringen, wie die derzeitige neue Überarbeitung der Düngeverordnung nach erneuter Abmahnung durch die EU-Kommission, welche die Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie  in Deutschland als nicht ausreichend beurteilte, wodurch Zwangsgelder in Milliardenhöhe fällig werden könnten, da der Gewässer- und Bodenschutz noch immer nicht ausreichend berücksichtigt wird. Und was geschieht in Brandenburg ? Plötzlich erhebt sich unser Landwirtschafts- und Umweltminister Jörg Vogelsänger und beruft einen nichtöffentlichen Insektengipfel ein, leider jedoch ohne den Umweltausschuss des Landtages oder den Imkerbund einzuladen. Dabei gibt es seit 2014 ein Brandenburger Artenschutzprogramm; hätte man es umgesetzt, bräuchte man keinen Insektengipfel. Nötig sind vielmehr  grundsätzliche Veränderungen in der Agrarpolitik.

 

Aber Bauernbund-Chef Jung beschwichtigt auch die „seit Jahrzehnten gleichbleibend geringen Flächen, auf denen Insektizide zur Anwendung kommen“, die daher „nicht für den Artenschwund verantwortlich sein können“, allerdings ohne dafür Belege anzuführen. Wie gesichert die Daten zum Insektensterben in Deutschland und global allerdings tatsächlich sind, zeigt eine aktuelle Übersichtsstudie, die im Journal Biological Conservation erschienen ist: Den Forschern zufolge zeigen 40 Prozent der Insektenarten weltweit einen Rückgang, ein Drittel der Arten sei vom Aussterben bedroht. Als größten Treiber des Insektensterbens identifizierten sie den Verlust von Lebensraum durch intensive Landwirtschaft und darin der verbreitete und schonungslose Einsatz synthetischer Pestizide. In der im Januar 2019 veröffentlichten Metastudie wurden  73 Studien weltweit ausgewertet. (Sánchez-Bayoa, Wyckhuys: Worldwide decline of the entomofauna: A review of its drivers, 2019).    Schweizer Forscher der Universität Neuchatel untersuchten 2017 Honigproben aus der ganzen Welt. Von den 198 Proben „zeigen 75 Prozent wenigstens ein Neonikotinoid in nachweisbaren Mengen“, so die Forscher. Die Gifte wurden in 86 %  aller Proben aus Nordamerika, in 80 % der asiatischen und 79 % der europäischen Honige nachgewiesen, Es sei beunruhigend, dass in 45 % der Proben sogar ein ganzer Cocktail dieser Gifte enthalten sei. Die Konzentrationen seien gering, aber die Gifte sehr wirksam, sagte Edward Mitchell, einer der Autoren der Studie gegenüber dem britischen Guardian. „Diese Pestizide sind 4.000-mal bis 10.000-mal giftiger als DDT:" 

Dennoch alles nicht so schlimm ? Neue Auflagen für Landwirtschaft wirklich unsinnig ?   

Nach dem  Glyphosat-Streit um die Verlängerung der Zulassung  wurde das Thema  Gegenstand der Untersuchung eines dafür von der der EU-Kommission eingesetzten Sonderausschusses, welcher schwerwiegende Mängel bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln aufgezeigt hat. Im Ergebnis dieser Untersuchung wurde nun am 16.01.2019 mit einer großen Mehrheit von  fast 79% beschlossen, den bisherigen Zulassungsprozess von Pestiziden grundlegend zu überarbeiten und alle relevanten Studien vorher zu veröffentlichen. Das Europäische Parlament (EP) hat mit der Verabschiedung des Berichtes über die Änderung der „Zulassungsverfahren für Pestizide in der EU (PEST)“ im Januar in Straßburg eine Gezeitenwende bei den künftigen Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln eingeläutet. Anstatt einseitiger Industriestudien und Unterdrückung von Befunden, soll die Bewertung von Wirkstoffen und Risiken von gesundheitsschädlichen Substanzen ab sofort transparent ablaufen und frühzeitig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.“ Und am 22.01.2019 sagte der Berichterstatter des Untersuchungsausschusses und EU-Abgeordnete Bart Staes  dazu in seiner Stellungnahme: Jetzt müsse Schluss sein mit der „Geheimniskrämerei“ sowie den „Interessenkonflikten“. Außerdem könne es nicht sein, dass sich Unternehmen wie Monsanto das Zeugnis über die Gefährlichkeit von Pflanzenschutzmitteln selbst ausstellten, so der Europa-Politiker. Maria Noichl, SPD-Europaabgeordnete und Mitglied der Untersuchungskommission dazu : Beim Verzehr von Obst und Gemüse seien die europäischen Bürgerinnen und Bürger „einer Vielzahl von Pflanzenschutzmittel-Cocktails“ gleichzeitig ausgesetzt. Die Wirkungen von diesen Cocktails seien aber bisher weitgehend unbekannt. „Es muss klar sein, dass unser pestizidintensives Landwirtschaftsmodell Mensch und Umwelt schadet. Daher muss der Einsatz von Pestiziden dringend verringert und alternative Methoden verstärkt gefördert werden“. Weiter heißt es  im Bericht des Europaparlaments: „Die derzeitige Abhängigkeit von Pestiziden als vorrangigem Mittel zur Bekämpfung von Schädlingen ist eindeutig nicht mit der nachhaltigen Landwirtschaft vereinbar, da die regelmäßige Verwendung von Pestiziden über einen längeren Zeitraum die Entstehung von Resistenzen bei Schädlingen bewirkt. So werden auch Nützlinge, die wichtig sind, um Schädlingsbefall vorzubeugen, vernichtet und es kommt häufig zu einem Befall mit Sekundärschädlingen. Beides führt dazu, dass noch mehr Pestizide eingesetzt werden, wodurch ein Teufelskreis entsteht“. In Deutschland wurden 2017 insgesamt 101.372 Tonnen Pflanzenschutzmittel verkauft. Von einer Reduzierungsstrategie ist dagegen weder vom Bauernverband, noch vom Landwirtschaftsministerium etwas zu hören. Irgendwie traurig.

Udo Schäfer

 

christina wolff

 Blühstreifen ohne Ackergifte!  Leserbrief zum Artikel "Die Insekten sind unsere Mitarbeiter" vom 10.02.19

 

Was für einen Arbeitsvertrag haben Insekten mit uns? Werden sie gut bezahlt? Sie bilden mit den Mikroorganismen die Basis allen Lebens auf der Erde, 60%  aller bekannten Tierarten sind Insekten und sie sind das Fundament der Ökosysteme. Bröckelt das Fundament, bricht auch alles andere zusammen. Insofern ist es eine Verdrehung der natürlichen Tatsachen, wenn wir so freundlich sind in unserem Nützlichkeitsdenken, ihnen nun endlich wenigstens den Status der Mitarbeiter zuzuerkennen. Die Erde braucht uns Menschen nicht. Um den Begriff aus der Warenökonomie zu verwenden – wir Menschen erbringen keinerlei „Ökosystemdienstleistung“, im Gegenteil, wir hindern und zerstören die Selbstregulation der Ökosysteme permanent mit unserer Art, das Land zu bewirtschaften. Wir haben nicht zu entscheiden, welche Mitgeschöpfe wir brauchen oder nicht. Alle aktuellen besorgniserregenden Veränderungen in der Natur deuten darauf hin: Das Leben der Erde, die Natur muss entscheiden, ob sie die Menschheit noch aushält oder rausschmeißt. Wir befinden uns aktuell im 6. weltweiten Artensterben der uns bekannten Erdgeschichte, es ist offen, ob die Gattung Homo sapiens dieses Artensterben überleben wird.

 

Landwirte und Agrargenossenschaften haben das Verschwinden der Pflanzen- und Tierarten nicht alleine zu verantworten. Täglich werden 70 Hektar Land – das ist die Fläche von 100 Fußallfeldern – in Deutschland versiegelt. Immer mehr Straßen, Gewerbezentren,  Bauland, umgebrochenes Grünland tragen zu diesem Flächenfraß bei. Und zum Artensterben trägt u.a. auch eine zunehmend sterile Gestaltung von Gärten und öffentlichen Anlagen bei, die keinerlei  Lebensräume mehr bieten. Die eigentliche Wildnis, sozusagen Natur an sich, ist keine Abenteuer – Outdoor – Welt und auch nicht Karls Erdbeerhof, die haben wir schon lange verloren. Seit ca. 100 Jahren tragen wir mit gesellschaftlichen Mehrheiten die Entwicklung der modernen Landwirtschaft mit, wir glauben, dass wir mit Giften die Ökosysteme regulieren und gesunde Nahrung produzieren können. Und wir glauben, dass wir mit Kunstdünger die Bodenfruchtbarkeit erhalten und jedes Jahr das Letzte aus dem Land herausholen können. Es gab Gegenstimmen, immer wieder auch von Landwirten der kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Die heutigen Landwirte tragen keine Verantwortung für alle fatalen Folgen dieser hundertjährigen Geschichte, an deren Ende wir heute stehen. Aber sie tragen Verantwortung für ihr heutiges Tun und sie sind die Einzigen, die neue und andere Entscheidungen treffen können, als ihre Vorgänger. Wer soll denn sonst bitte damit aufhören, das Ackerland zu vergiften?

 

Da ruft der Bauernverband zusammen mit dem  Forum Natur die Brandenburger Bürger auf, Geld für Blühflächen zu spenden, damit die Bauern Saatgut  kaufen können. Das ist ein gutes Anliegen: Forum verspricht eine öffentliche Gesprächsebene, Natur wollen wir ja alle und Blühflächen finden immer mehr Bürger eine gute Sache. Wer steht hinter dem Forum? Das Forum ist eine Lobbyorganisation der Brandenburger „Landnutzer“, in der Regel Landbesitzer –  es steht für über 1 Million Hektar Grundeigentum, es betreibt natürlich auch Lobbyarbeit für den Bauernverband.  „Damit die Landwirte nicht im Regen stehen“ und „Die Landwirte können die Aufgabe des Insektenschutzes nicht alleine stemmen, ohne Geld.“ Wieso haben die Bauern kein Geld? Die Landwirtschaft bekommt Milliarden von Agrarsubventionen, diese bestehen  neben der Basisförderung u.a. aus den sogenannten Greeningmaßnahmen, aus Zuschüssen zum Natur- und Gewässerschutz, zu Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen und auch aus Ausgleichzahlungen für den Erhalt der Kulturland-schaft, also unserer Lebensumwelt. Diese Subventionen zahlt der Steuerzahler. Von diesem Geld kaufen konventionell wirtschaftende Bauern u.a. Ackergifte, die entscheidend mitverantwortlich sind für das Verschwinden der Ackerwildkräuter und Insekten. Geld aus dem Spendentopf bekommen nur Landbesitzer /Landnutzer, keine gemeinnützigen Organisationen oder Gemeinden. 2018 konnte man auf der Homepage des Bauernverbandes noch lesen: „Mit der Blühflächenanlage leisten Sie einen kleinen Beitrag zur Steigerung der Biodiversität und einen großen Beitrag zur Verbesserung des Images der Landwirtschaft… Der LBV und Forum Natur bittet Sie ungeachtet der noch unklaren Zuschusshöhe die öffentlichkeitswirksame und imagefördernde Initiative weiterhin durch die Anlage von Blühflächen zu unterstützen.“ (LBV, Blühstreifeninfobrief vom 22.3.2018) 2019 kann man lesen: “Der Schutz der natürlichen Ressourcen liegt immer mehr Landwirten am Herzen… Jeder Euro zählt!“ 101.000 Tonnen Ackergifte wurden 2017 (Zahlen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ) in der deutschen Landwirtschaft ausgebracht, davon die Hälfte Herbizide, genau die Gifte, die alle Wildblumen vernichten,  die jetzt in Blühstreifen am Rande wieder auferstehen sollen, mit den Spenden der Bürger. Jeder Blühstreifen an einem mit Insektiziden totgespritzten Acker wird zur Insektenfalle. Die Abdrift ist trotz Auflagen enorm.

 

Auch Blühstreifen brauchen ein grundsätzliches Umdenken in der Landwirtschaft – wir brauchen wieder Landschaftselemente wie Hecken, Tümpel, Bäume, wir brauchen mehr Brachflächen und eine Rückverwandlung der vielen in den letzten Jahren umgebrochenen Grünlandflächen, mehr extensive Bewirtschaftung, wir brauchen grüne Verbundsysteme, wir brauchen ein ökologisch sinnvolles Mähen, was sowohl die Zeitpunkte als auch die Mähwerkzeuge betrifft. Und wir brauchen eine giftfreie Landwirtschaft. Dafür würde ich gerne spenden.

 

Christina Wolff, Biologin, Gärtnerin